Hörtipp: Teil 2 der Reihe SprachKritik beim Deutschlandfunk mit Anatol Stefanowitsch:

Hörtipp: Teil 2 der Reihe SprachKritik beim Deutschlandfunk mit Anatol Stefanowitsch:
Ich höre sehr gerne Deutschlandfunk Nova (DLF-Nova). Und wenn sich vielleicht auch was in Sachen generisches Maskulinum tut, dann sogar noch lieber.
Aber: manchmal haben die schon heftige Aussetzer.
In den 17 Uhr Nachrichten letzten Freitag (16.11.2018) berichtete die Nachrichten-Redaktion über den Besuch von Angela Merkel in Chemnitz.
In dem Zusammenhang werden die Vorgänge im Sommer, bei denen Menschen von anderen Menschen angegriffen und gejagt wurden, als ‚fremdenfeindliche Ausschreitungen‘ gegen ‚ausländisch aussehende Menschen‘ beschrieben. Wobei alle Menschen mutmaßlich aus Chemnitz waren, also alle Chemnitzer*innen.
sind als Synonyme für ||Rassismus und
rassistische Tatmotive
ungenau, da es selten um tatsächliche Fremde wie etwa Tourist*innen geht. Von der vermeintlichen »Ausländerfeindlichkeit« sind oft deutsche Staatsangehörige betroffen. Werden Ausländerhass oder Fremdenfeindlichkeit als Motive genannt, gibt das die Perspektive der Täter*innen wieder. Präziser ist es, die Motive, Straftaten oder Gesinnungen alsrassistisch
,rassistisch motiviert
,rechtsextrem
oderneonazistisch
zu bezeichnen.
Das ist der Glossar-Eintrag bei den Neuen Deutschen Medienmachenden (Medienmacher) zu dem Begriff ‚Fremdenfeindlichkeit‘:
Der unkritisch übernommene Deutungsrahmen (Frame) ‚Fremdenfeindlichkeit‘ durch DLF-Nova ist die rassistisch motivierte Perspektive der Straftatbegehenden; also der Täterinnen und Täter.
Innerhalb dieses Deutungsrahmens gibt es Fremde (nicht von hier) und Nicht-Fremde (von hier) und die dazu passende Feindlichkeit und Freundschaft.
Korrekter und inklusiver wäre z.B. gewesen, von Menschen, Menschen in Chemnitz, oder Bürger*innen zu reden; anstatt von Fremden und ausländisch Aussehenden.
Korrekter, weil es sachlich falsch ist, einige chemnitzsche Bürger*innen als fremd zu bezeichnen.
Inklusiver, weil z.B. das Wort ‚Menschen‘ (ohne die Einschränkung durch in- und ausländisch) verschiedene Personen zu einer Gruppe (Menschen von hier) macht.
Aber nein, Deutschlandfunk Nova übernimmt den rechten Deutungsrahmen und repräsentiert manche Chemnitzer Menschen als Fremde in Chemnitz.
Doch da hört der rechte Frame noch nicht auf. Um den Deutungsrahmen vollends visuell zu füllen, gibt es noch einen obendrauf:
Ausländisch aussehende Menschen waren die Opfer. (DLF Nova)
Wie sieht ein ‚ausländisch aussehender Mensch‘ aus?
Der Test der negativen Differenzierung:
Nicht-ausländisch aussehende Menschen waren nicht Opfer.
Wie sieht so jemand aus?
War das Aussehen, der von rassistischer Gewalt betroffenen Menschen, von Bedeutung? Wenn ja, für wen? Für wen ist das Relevant-Setzen des personenbezogenen Merkmals der äußeren Erscheinung von Menschen überhaupt wichtig?
Der Deutungsrahmen mit der Verbindung von Aussehen und Ausländisch-Sein und Aussehen und Inländisch-Sein ist schon ein starkes Stück.
Es ist das Ziel rechter Diskurse, dass sich solche Deutungsrahmen in unseren Köpfen festsetzen, um zu trennen, zu fixieren und dann zu…
Als Linktipp für die Nachrichten-Redaktion von Deutschlandfunk Nova:
ps: mein eBook, ‚…denn sie wisssen nicht, was sie sagen…‘ gibt es auch noch .-)
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich letzten Freitag (gestern) getroffen und entschieden, das Gendern weiter zu beobachten und vorerst keine Empfehlungen in Bezug auf das Binnen-I, den Gender-Gap, das Gender-Sternchen und der deutschen Rechtschreibung auszusprechen.
Viele Artikel kommentieren heute diese Entscheidung.
Zwei Beiträge gehören zu meinem Best-Of in der Debatte.
Erstens: das unaufgeregte Interview von Deutschlandfunk Kultur mit Henning Lobin, Mitglied des Rats und Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, das auch Geschäftsstelle des Rats für deutsche Rechtschreibung ist:
In dem Interview sind mir zwei Aussagen aufgefallen:
“ …wo werden z.B. keine geschlechtergerechten Formulierungen benutzt, das ist z.B beim Journalismus….“ (Henning Lobin)
Und diese letztere Aussage leitet direkt über zu zweitens. Einen Kommentar von Pascal Becher, der meine Einstellung und die meines eBooks widerspiegelt:
Jetzt kann „man“ sagen: „Ist halt so.“ Die „anderen“ sind ja irgendwie auch „mitgemeint“. So argumentieren beispielsweise wir Medien gerne, um umständliche Wortkonstruktionen wie „Lehrer*in“, „Lehrer_in“ oder „Lehr_er_in“ zu vermeiden. Was wir uns dann aber auch eingestehen müssen, ist, dass wir ausgrenzend und unpräzise formulieren…“ (Pascal Becher, pfaelzischer-merkur.de)
Das ist genau meine Position. Das Gendern ist eine Strategie, um das generische Maskulinum und damit das Mitmeinen von Frauen zu vermeiden. Denn das generische Maskulinum ist nicht inklusiv (es ist ausgrenzend) und nicht korrekt (es ist unpräzise). Sprachliche Gleichbehandlung und das generische Maskulinum sind einfach nicht kompatibel.
Dass das im Jahr 2018 bei vielen Medienmachenden immer noch nicht angekommen ist…
Auch der weitere Kommentar spricht mir aus dem Herzen:
„„Umständlich“ ist zudem ein schwaches Argument, um Ungerechtigkeit zu rechtfertigen. Und „elitär“ ist an Debatten über unsere Sprache sowieso nichts. Es ist die Basis unseres Zusammenlebens. Außerdem müssen ja Sternchen, Binnen-I und Unterstrich nicht das letzte Wort sein. Richtende, Laufende oder Trinkende geht ja auch.“ (Pascal Becher, pfaelzischer-merkur.de)
Bravo! Denn bei der Gender-Rechtschreibung-Debatte vergessen viele Personen, dass sehr oft geschlechtsneutrale Formulierungen möglich sind. Z.B: Lehrende, Chirurgie-Team, Wissenschafts-Team, Forschende, Arbeitnehmende, Fachleute…
So wie ich sie auch ein meinem eBook vertrete, ist: das generische Maskulinum ist nicht mehr zeitgemäß und nicht geeignet für eine inklusive und korrekte Sprache.
Es ist nicht inklusiv, weil es ausgrenzt. Es ist unkorrekt, weil es komplexe Wahrnehmungen und Realitäten nicht adäquat repräsentiert.
Darüber hinaus deutet die Forschung im Bereich der kognitiven Linguistik und der Neurolinguistik darauf hin, dass Sprache und damit das generische Maskulinum unser Denken strukturiert und beeinflusst.
Wir müssen weg vom generischen Maskulinum. Manchmal halt mit zusätzlichen Hilfsmitteln wie den Unterstrichen (Gaps), den Sternchen, den Binnen-Is oder der doppelten Nennung.
Aber: geschlechtsneutrale Formulierungen, wann immer möglich, sind die beste Lösung.
Vor einiger Zeit war ich auf einer Veranstaltung zum Thema Super-Diversity (Superdiversität) und Migration.
Via Google lande ich beim Thema Superdiversität im Online-Universum der Max-Planck-Gesellschaft:
„Der Kulturanthropologe Steven Vertovec beschreibt diese Komplexitätssteigerung sich überschneidender Formen von Unterschiedlichkeit als Superdiversität (super-diversity). Superdiversität in Vertovecs Sinne verweist auf eine komplexe mehrdimensionale Diversifizierung bereits existierender Formen sozialer und kultureller Vielfalt.“ (‚Diversität und Gesellschaft‘, Fußnoten entfernt (mpg.de))
Sehr verkürzt ist Superdiversität die Diversifikation der Diversität:
„It has also been called the „diversification of diversity“ (en.wikipedia.org)
Eine kulturelle Praktik, in der ‚Formen sozialer und kultureller Vielfalt‘, aber auch Alter- und Gender-Unterschiede produziert und reproduziert werden ist: unsere Sprache.
Welche Auswirkungen hat die Diversifikation der Diversität für das Projekt einer inklusiven Sprache?
Inklusive Sprache, so wie ich sie in meinem eBook skizziere, ist diversitäts- und auch super-diversitäts-sensibel 🙂
Das Konzept der Superdiversität unterstreicht jedoch die Wichtigkeit zweier Punkte für eine inklusive Sprache:
Denn das generische Maskulinum ist nicht diversitäts-sensibel, weil es die Anforderung an eine sprachliche Gleichbehandlung nicht erfüllt. Frauen mitzumeinen ist nicht diversitäts-sensibel, sondern exkludierend, benachteiligend.
Wenn das generische Maskulinum schon bei dem Anspruch an sprachlicher Gleichbehandlung von zwei geschlechtlichen Identitäten versagt, dann kapituliert es komplett bei super-diversen Anforderungen; wie z.B. die sprachliche Inklusion von super-diversen sexuellen Identitäten.
Deshalb sind geschlechtsneutrale Formulierungen, immer wenn möglich, die Super-Lösung!
Für eine inklusive Sprache, in der sich auch super-diverse Menschen wohlfühlen, gilt das gleiche, wie für eine inklusive Sprache und eine ’normale‘ Diversität, nämlich:
Ich markiere keine Differenz, keine (Super-) Diversität, kein Anderssein durch Sprache.
Es sei denn: ich habe einen ’sachlichen Grund‘ (siehe das AGG § 20) oder es besteht ein ‚begründetes öffentliches Interesse‘ (siehe den Deutscher Pressekodex Ziffer 12).
Die Frage ist also zuerst: wieso will ich überhaupt (Super-) Diversität sprachlich abbilden?
Beispiel: jung=technik-affin und älter=nicht technik-affin?
Superdiversität ist keine Herausforderung für eine inklusive Sprache. Ganz im Gegenteil; ich denke, nur mit und in einer inklusiven Sprache ist Superdiversität möglich.
Das Konzept der Superdiversität verweist jedoch stark auf:
„…den relativen Bedeutungsverlust von Kollektivität [z.B. Nationalität, Geschlecht, Alter, Ethnizität] als Beschreibungskategorie in komplexen Gesellschaften.“ (‚Diversität und Gesellschaft‘ (mpg.de) [ich])
Viel zu hören gab es letztes Wochenende beim Deutschlandfunk (deutschlandfunk.de):
„Mit dem Begriff ‚korrekt‘ in dem Titel Korrekte Sprache beziehe ich mich nicht auf korrekte Grammatik oder Syntax, sondern auf die korrekte innere Repräsentation durch Sprache in unseren Gedanken (Kognition) und die korrekte äußere Repräsentation durch die Kommunikation von Dingen, Gedanken, Erfahrungen, Gefühlen und Ideen für uns und andere; eine präzisere sprachliche Vor- und Darstellung ist das Ziel.“ (inklusiv korrekt positiv: bewusst kommunizieren, Kapitel: Anmerkungen und Verweise: Korrekte Sprache)
Im eBook habe ich Ausflüge in die kognitive Linguistik vermieden. Dafür jetzt hier eingebettet sehr schöne TED-Videos zu Erkenntnissen im Zusammenhang von menschlichem Wissen und Sprache.
Das erste Video ist von Lera Boroditsky:
Im zweiten Video greift Petrina Nomikou die Ideen von Lera Boroditzky auf und ergänzt diese:
Als Kurz-Fazit für eine korrekte Sprache bedeuten die vorgestellten Erkenntnisse aus der kognitiven Linguistik: ‚kognitive Pluralität braucht eine sprachliche Pluralität‘ (Stichwörter: (m/w/d), Sichtbarkeit von Frauen) + Sprache (Wörter & Grammatik) hat einen Einfluss darauf, wie und was wir denken und denken können (Stichwörter: Grammatical Framing, Grammatologie?, Generisches Maskulinum) = unsere Sprache ist eine epistemisches (epistemologisches) System; ein System, das unsere Erkenntnisse und unser Wissen strukturiert.
Mein Google-Alert hat mich recht spät erreicht.
In den scilogs auf spektrum.de gab es von Martin Ballaschk folgenden Artikel am 18. Oktober:
Mit vielen Kommentierenden…
Ein schöner Erfahrungsbericht des Autors aus der Welt eines Wissens-Kommunikators.
Im Artikel ist auch folgendes Video zum Thema mit der Wissens-Kommunikatorin Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab):
„Die Begriffe, die man sich von was macht, sind sehr wichtig. Sie sind die Griffe, mit denen man die Dinge bewegen kann.“ (Bertolt Brecht)
Das tolle Zitat (trotz ‚man‘) ist auch in meinem eBook 🙂
Es leitet ein Buch aus dem Jahr 2003 ein. Der Titel:
Wie der Titel ankündigt, ist das Handlungsfeld Sprache und Menschen mit Behinderung das Thema.
Darin auf Seite 23:
„BEHINDERTE … Die undifferenzierte Wortwahl kann leicht verbessert werden. Behinderte Personen empfinden es jedenfalls angenehmer als „behinderter Mensch“ oder „Mensch mit Behinderung“ bezeichnet zu werden, oder einfach als „behinderte Frau“, „behinderter Mann“, „behindertes Kind“, „behinderte Journalistin“ usw.“
Im Jahr 2018, irgendwo in Deutschland:
Sprachliche Behinderung? Wir behindern uns selber und andere, durch unsere Wörter! Barrierefreies Denken funktioniert so nicht!
„Die Begriffe, die wir uns von etwas machen, sind sehr wichtig. Sie sind die Griffe, mit denen wir die Dinge bewegen können.“ (Bertolt Brecht + inklusiv korrekt positiv)
Das Buch der Begriffe als PDF-Datei ist auf leidmedien.org gelistet:
Direkter Deep-Link-Download zur Universität Salzburg:
Der Überwachungskapitalismus hat mich an den Plattformkapitalismus erinnert. Laut Wikipedia von Sascha Lobo 2014 als Deutungsrahmen (frame) in Umlauf gebracht.
Bravo!
Schön, dass auf wikipedia direkt der Artikel verlinkt ist, in dem Sascha Lobo den Samen für eine andere Sichtweise (Deutungsrahmen) der Sillicon-Valley-Realitäten in meinem Kopf gesäht hat.
„Was man Sharing-Ökonomie nennt, ist nur ein Aspekt einer viel größeren Entwicklung, einer neuen Form des digitalen Kapitalismus: Plattform-Kapitalismus.“ (Sascha Lobo, spiegelonline.de)
Via Twitter-Tag #überwachungskapitalismus: