Die Frankfurter Allgemeine Quaterly (FAQ) Herbst 2018 leidet nicht nur an Überalterung. Ganz im Gegenteil. Bis jetzt finde ich viele Artikel, trotz generischem Maskulinum, sehr gut.
Besonders gut gefällt mir, dass Samen für neue Deutungsrahmen (Frames) in menschlichen Köpfen gepflanzt werden.
Z.B. der Artikel:
`“(081) Die Stadt: Barcelona zeigt, wie eine Smart City von unten entstehen und seine Bewohner [ihre Bewohnenden] beglücken kann“ (FAQ, Herbst 2008, Seite 010 [inklusiv korrekt positiv])
In meiner Filterblase sehe, höre und lese ich im Zusammenhang mit Barcelona nur von ‚Gentrifizierung‘, ‚Overtourism‘, ’nackten Feiernden in Barceloneta‘ und ‚pisos turísticos‘, also Airbnb, plus Taxis, die keine mehr sind (Uber) und riesigen Kreuzfahrtschiffen.
Doch Barcelona hat Ada Colau als Stadtoberhaupt und damit auch eine bottom-up-Politik unter Beteiligung der Menschen, die in der Stadt leben. Und das mithilfe von digitalen Technologien. Eine digitale Pionierin!
„Alles, was sie in Barcelona entwerfen, ist Open Source, kann also von anderen Städten übernommen werden – genau das wollen sie [Ada Colau und Co.]: „Dass sich diese Art der Politik verbreitet, weil der Neoliberalismus, der auch das Silicon Valley regiert, sonst unsere Demokratien zerstört.““ (FAQ, Herbst 2018, Seite 085, [Anmerkung])
Fearless Cities
‚Fearless Cities‘, das Konzept hinter Ada Colaus Barcelona, ist wirklich mal eine Vision. Fearless Cities hat eine Webseite und es ist ein Buch für 2019 in Planung:
Überwachungskapitalismus
Am meisten gefreut habe ich mich, den Deutungsrahmen ‚Überwachungskapitalismus‘ ebenfalls in dem Artikel wiederzufinden. Diesen kritischen Deutungsrahmen und eine darauf aufbauende Alternative hat die ‚Ökonomin und Technologie-Expertin‘ Francesca Bria nach Barcelona gebracht:
„Bria war nie Hausbesetzerin, doch die promovierte Ökonomin teilt Colaus Überzeugungen: mehr Feminismus und mehr Kommunismus – Daten-Kommunismus zumindest. Der Überwachungskapitalismus des Silicon Valley ist ihr Hauptfeind.“ (FAQ, Herbst 2018, Seite 083)
Bravo!
Überwachungskapitalismus oder Surveillance capitalism:
netzpolitik.org hat viel darüber unter dem Tag:
Fazit
Erstens: ein toller Artikel, ich hoffe, der Samen trägt Früchte und vielleicht sprießt bald die erste deutsche Stadt, die zur Fearless City wird.
Zweitens: Deutungsrahmen (framing) funktionieren und sind wichtig; unsere Sprache ist wichtig. Vor dem Artikel war Barcelona für mich out. Jetzt sehe ich die Stadt wieder mit anderen Augen.
<ironie>Vieleicht gucke ich gleich mal nach einem billigen Flug für zwei Tage nach Barcelona, buche eine Uber-Fahrt vom Flughafen nach Barceloneta, wo ich in einer Smart-Home-Airbnb-Residenz mit Mehrwert Meerblick residiere und vom Balkon aus auf Schweröl verbrennende Schiffe gucke, während ich ein Selfie…. </ironie>