Ein Link- und Lesetipp vom 01.01.2019:
Christoph Bräuer – Professor für Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur an der Göttinger Universität – im Interview mit dem Göttinger Tageblatt:
Ein Link- und Lesetipp vom 01.01.2019:
Christoph Bräuer – Professor für Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur an der Göttinger Universität – im Interview mit dem Göttinger Tageblatt:
In meinem eBook beschäftige ich mich mit unserer Sprache und wie wir mit scheinbar neutralen Wörtern mittelbar (indirekt) diskriminieren.
Mein Argument dabei ist, dass eine solche mittelbare sprachliche Diskriminierung sehr oft durch eine unreflektierte Nutzung von Worten passiert. Im schlimmsten Fall führt das dazu, dass wir Dinge sagen, die ein komplettes Gegenteil sind von dem, was wir kommunizieren wollen.
Ein leider ‚gelungenes‘ Beispiel habe ich meinem Blog-Artikel ‚Fremdenfeindlichkeit‘ und ‚ausländisch aussehende Menschen‘ besprochen.
In dem Beispiel entpuppt sich die ‚gutgemeinte‘ sprachliche Repräsentation eines Ereignisses bei genauerer Betrachtung als Ungleichbehandlung (Diskriminierung). Eine Diskriminierung, weil die Worte das Aussehen von Menschen mit einem Inländisch- und Ausländisch-Sein verbinden.
Worte reflektieren die Gedanken von Menschen. In dem Beispiel das unbewusste Denken der Person, die die Nachricht verfasst hat.
Woher kamen die Gedanken und damit Wörter? Wo kommt die Idee her, dass die physische Erscheinung von Menschen Rückschlüsse auf die Nationalität zulässt? Wieso verfügt ein Mensch über unbewusste Denkmuster (Aussehen = in- oder ausländisch), die der bewussten Denkweise oder einem Leitbild (à la Aussehen spielt keine Rolle) widersprechen?
Eine Erklärung für das Zustandekommen einer unbewussten kausalen Verbindung von Aussehen und Nationalität bieten die Konzepte, die im Englischen als ‚unconscious bias‘, ‚implicit bias‘ oder ‚implicit stereotype‘ bezeichnet werden.
Der englische Wikipedia-Artikel zu dem Konzept ist ein guter Startpunkt:
Strategien, um unbewussten Stereotypen entgegenzuwirken, findest Du ebenfalls bei Wikipedia:
‚Unconscious bias training‘ ist Bestandteil beim Diversity Management und besonders wichtig für Personen, die im Personalwesen (HR, Human-Resources) andere Menschen beurteilen.
Wieso ein sensibler Umgang mit unbewussten Stereotypen gerade im HR-Umfeld wichtig ist, verdeutlicht ein TED-Talk von Kristen Pressner: Are you biased? I am | Kristen Pressner | TEDxBasel (youtube.com)
Und wenn Du Dich selbst mal testen möchtet auf solche unbewussten Stereotype, dann ist das Project Implicit interessant (auf Deutsch):
Hörtipp.
Nicht ganz meine Position, aber auf jeden Fall interessant:
Sprachliche Deutungsrahmen (Frames) bestimmen unsere Wahrnehmung einer Realität und wie wir diese repräsentieren.
Erleben wir einen Fachkräftemangel? Oder einen Bezahlmangel? Oder einen Sklaven*innen-Mangel?
Die 1106 (12:32 am 21.11.2018) Kommentare liefern alternative Deutungsrahmen zum Begriff ‚Fachkräftemangel‘:
Die Neuen Deutschen Medienmachenden (Medienmacher) (NdM) haben die ‚Goldene Kartoffel‘ verliehen. Dazu eine Meinung und…
Linktipp:
„Doch auch Menschen mit Migrationshintergrund müssen sich bewusst sein, dass sie gegen keine dieser Ursachen für Diskriminierung per se gefeit sind. Ein wenig Selbstkritik und Selbstreflexion ist daher angebracht.“ (Cigdem Toprak, tagesspiegel.de)
Hörtipp: Teil 2 der Reihe SprachKritik beim Deutschlandfunk mit Anatol Stefanowitsch:
Ich höre sehr gerne Deutschlandfunk Nova (DLF-Nova). Und wenn sich vielleicht auch was in Sachen generisches Maskulinum tut, dann sogar noch lieber.
Aber: manchmal haben die schon heftige Aussetzer.
In den 17 Uhr Nachrichten letzten Freitag (16.11.2018) berichtete die Nachrichten-Redaktion über den Besuch von Angela Merkel in Chemnitz.
In dem Zusammenhang werden die Vorgänge im Sommer, bei denen Menschen von anderen Menschen angegriffen und gejagt wurden, als ‚fremdenfeindliche Ausschreitungen‘ gegen ‚ausländisch aussehende Menschen‘ beschrieben. Wobei alle Menschen mutmaßlich aus Chemnitz waren, also alle Chemnitzer*innen.
sind als Synonyme für ||Rassismus und
rassistische Tatmotive
ungenau, da es selten um tatsächliche Fremde wie etwa Tourist*innen geht. Von der vermeintlichen »Ausländerfeindlichkeit« sind oft deutsche Staatsangehörige betroffen. Werden Ausländerhass oder Fremdenfeindlichkeit als Motive genannt, gibt das die Perspektive der Täter*innen wieder. Präziser ist es, die Motive, Straftaten oder Gesinnungen alsrassistisch
,rassistisch motiviert
,rechtsextrem
oderneonazistisch
zu bezeichnen.
Das ist der Glossar-Eintrag bei den Neuen Deutschen Medienmachenden (Medienmacher) zu dem Begriff ‚Fremdenfeindlichkeit‘:
Der unkritisch übernommene Deutungsrahmen (Frame) ‚Fremdenfeindlichkeit‘ durch DLF-Nova ist die rassistisch motivierte Perspektive der Straftatbegehenden; also der Täterinnen und Täter.
Innerhalb dieses Deutungsrahmens gibt es Fremde (nicht von hier) und Nicht-Fremde (von hier) und die dazu passende Feindlichkeit und Freundschaft.
Korrekter und inklusiver wäre z.B. gewesen, von Menschen, Menschen in Chemnitz, oder Bürger*innen zu reden; anstatt von Fremden und ausländisch Aussehenden.
Korrekter, weil es sachlich falsch ist, einige chemnitzsche Bürger*innen als fremd zu bezeichnen.
Inklusiver, weil z.B. das Wort ‚Menschen‘ (ohne die Einschränkung durch in- und ausländisch) verschiedene Personen zu einer Gruppe (Menschen von hier) macht.
Aber nein, Deutschlandfunk Nova übernimmt den rechten Deutungsrahmen und repräsentiert manche Chemnitzer Menschen als Fremde in Chemnitz.
Doch da hört der rechte Frame noch nicht auf. Um den Deutungsrahmen vollends visuell zu füllen, gibt es noch einen obendrauf:
Ausländisch aussehende Menschen waren die Opfer. (DLF Nova)
Wie sieht ein ‚ausländisch aussehender Mensch‘ aus?
Der Test der negativen Differenzierung:
Nicht-ausländisch aussehende Menschen waren nicht Opfer.
Wie sieht so jemand aus?
War das Aussehen, der von rassistischer Gewalt betroffenen Menschen, von Bedeutung? Wenn ja, für wen? Für wen ist das Relevant-Setzen des personenbezogenen Merkmals der äußeren Erscheinung von Menschen überhaupt wichtig?
Der Deutungsrahmen mit der Verbindung von Aussehen und Ausländisch-Sein und Aussehen und Inländisch-Sein ist schon ein starkes Stück.
Es ist das Ziel rechter Diskurse, dass sich solche Deutungsrahmen in unseren Köpfen festsetzen, um zu trennen, zu fixieren und dann zu…
Als Linktipp für die Nachrichten-Redaktion von Deutschlandfunk Nova:
ps: mein eBook, ‚…denn sie wisssen nicht, was sie sagen…‘ gibt es auch noch .-)
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich letzten Freitag (gestern) getroffen und entschieden, das Gendern weiter zu beobachten und vorerst keine Empfehlungen in Bezug auf das Binnen-I, den Gender-Gap, das Gender-Sternchen und der deutschen Rechtschreibung auszusprechen.
Viele Artikel kommentieren heute diese Entscheidung.
Zwei Beiträge gehören zu meinem Best-Of in der Debatte.
Erstens: das unaufgeregte Interview von Deutschlandfunk Kultur mit Henning Lobin, Mitglied des Rats und Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, das auch Geschäftsstelle des Rats für deutsche Rechtschreibung ist:
In dem Interview sind mir zwei Aussagen aufgefallen:
“ …wo werden z.B. keine geschlechtergerechten Formulierungen benutzt, das ist z.B beim Journalismus….“ (Henning Lobin)
Und diese letztere Aussage leitet direkt über zu zweitens. Einen Kommentar von Pascal Becher, der meine Einstellung und die meines eBooks widerspiegelt:
Jetzt kann „man“ sagen: „Ist halt so.“ Die „anderen“ sind ja irgendwie auch „mitgemeint“. So argumentieren beispielsweise wir Medien gerne, um umständliche Wortkonstruktionen wie „Lehrer*in“, „Lehrer_in“ oder „Lehr_er_in“ zu vermeiden. Was wir uns dann aber auch eingestehen müssen, ist, dass wir ausgrenzend und unpräzise formulieren…“ (Pascal Becher, pfaelzischer-merkur.de)
Das ist genau meine Position. Das Gendern ist eine Strategie, um das generische Maskulinum und damit das Mitmeinen von Frauen zu vermeiden. Denn das generische Maskulinum ist nicht inklusiv (es ist ausgrenzend) und nicht korrekt (es ist unpräzise). Sprachliche Gleichbehandlung und das generische Maskulinum sind einfach nicht kompatibel.
Dass das im Jahr 2018 bei vielen Medienmachenden immer noch nicht angekommen ist…
Auch der weitere Kommentar spricht mir aus dem Herzen:
„„Umständlich“ ist zudem ein schwaches Argument, um Ungerechtigkeit zu rechtfertigen. Und „elitär“ ist an Debatten über unsere Sprache sowieso nichts. Es ist die Basis unseres Zusammenlebens. Außerdem müssen ja Sternchen, Binnen-I und Unterstrich nicht das letzte Wort sein. Richtende, Laufende oder Trinkende geht ja auch.“ (Pascal Becher, pfaelzischer-merkur.de)
Bravo! Denn bei der Gender-Rechtschreibung-Debatte vergessen viele Personen, dass sehr oft geschlechtsneutrale Formulierungen möglich sind. Z.B: Lehrende, Chirurgie-Team, Wissenschafts-Team, Forschende, Arbeitnehmende, Fachleute…
So wie ich sie auch ein meinem eBook vertrete, ist: das generische Maskulinum ist nicht mehr zeitgemäß und nicht geeignet für eine inklusive und korrekte Sprache.
Es ist nicht inklusiv, weil es ausgrenzt. Es ist unkorrekt, weil es komplexe Wahrnehmungen und Realitäten nicht adäquat repräsentiert.
Darüber hinaus deutet die Forschung im Bereich der kognitiven Linguistik und der Neurolinguistik darauf hin, dass Sprache und damit das generische Maskulinum unser Denken strukturiert und beeinflusst.
Wir müssen weg vom generischen Maskulinum. Manchmal halt mit zusätzlichen Hilfsmitteln wie den Unterstrichen (Gaps), den Sternchen, den Binnen-Is oder der doppelten Nennung.
Aber: geschlechtsneutrale Formulierungen, wann immer möglich, sind die beste Lösung.
„Mit dem Begriff ‚korrekt‘ in dem Titel Korrekte Sprache beziehe ich mich nicht auf korrekte Grammatik oder Syntax, sondern auf die korrekte innere Repräsentation durch Sprache in unseren Gedanken (Kognition) und die korrekte äußere Repräsentation durch die Kommunikation von Dingen, Gedanken, Erfahrungen, Gefühlen und Ideen für uns und andere; eine präzisere sprachliche Vor- und Darstellung ist das Ziel.“ (inklusiv korrekt positiv: bewusst kommunizieren, Kapitel: Anmerkungen und Verweise: Korrekte Sprache)
Im eBook habe ich Ausflüge in die kognitive Linguistik vermieden. Dafür jetzt hier eingebettet sehr schöne TED-Videos zu Erkenntnissen im Zusammenhang von menschlichem Wissen und Sprache.
Das erste Video ist von Lera Boroditsky:
Im zweiten Video greift Petrina Nomikou die Ideen von Lera Boroditzky auf und ergänzt diese:
Als Kurz-Fazit für eine korrekte Sprache bedeuten die vorgestellten Erkenntnisse aus der kognitiven Linguistik: ‚kognitive Pluralität braucht eine sprachliche Pluralität‘ (Stichwörter: (m/w/d), Sichtbarkeit von Frauen) + Sprache (Wörter & Grammatik) hat einen Einfluss darauf, wie und was wir denken und denken können (Stichwörter: Grammatical Framing, Grammatologie?, Generisches Maskulinum) = unsere Sprache ist eine epistemisches (epistemologisches) System; ein System, das unsere Erkenntnisse und unser Wissen strukturiert.
Mein Google-Alert hat mich recht spät erreicht.
In den scilogs auf spektrum.de gab es von Martin Ballaschk folgenden Artikel am 18. Oktober:
Mit vielen Kommentierenden…
Ein schöner Erfahrungsbericht des Autors aus der Welt eines Wissens-Kommunikators.
Im Artikel ist auch folgendes Video zum Thema mit der Wissens-Kommunikatorin Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab):